«Gesperrt weil nicht barrierefrei»
Dieses Hinweis-Schild war am Samstag an verschiedenen Orten im Zürcher Oberland anzutreffen. Es handelte sich um eine Aktion der JUSO Zürcher Oberland, mit der sie auf massive Mängel in Sachen Barrierefreiheit im Zürcher Oberland aufmerksam machten. Die Jungsozialist*innen fordern umfangreiche Massnahmen von der Politik, damit Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen diskriminierungsfrei teilnehmen können.
Die Bushaltestelle Bärenplatz in Bäretswil, das Wetziker Stadthaus, die Konditorei Voland in Bauma: sie alle eint die Tatsache, dass sie nicht barrierefrei sind, wobei das Stadthaus von Wetzikon stellvertretend für die Politik steht. Diese Missstände hielt die JUSO Zürcher Oberland am Samstag mit ihrer Protestaktion hervor. An insgesamt vier Standorten im Zürcher Oberland brachten Aktivist*innen ein Hinweisschild an, das darauf aufmerksam machte, dass der entsprechende Ort für Menschen mit Behinderungen unzugänglich ist und daher heute für alle gesperrt sei. Über einen QR-Code gelangte man zum Visionspapier, das die JUSO Zürcher Oberland im März veröffentlichte und in dem sie ein Kapitel dem Thema der Zugänglichkeit und der Barrierefreiheit widmete.
«Der Juli ist disability pride month, ein Monat, der uns dazu animieren sollte, ganz genau hinzuschauen, wie es um die Zugänglichkeit steht», sagt die Co-Präsidentin der JUSO Zürcher Oberland, Anaïs Dolder. Sie kommt zum Schluss: «Wenig überraschend sind wir von diskriminierungsfreien Zuständen weit entfernt.» Im Zürcher Oberland bestehe besonders viel Nachholbedarf, so Dolder.
Die markierten Orte seien keine einzelnen Problemfälle, sondern stehen stellvertretend für ganze Bereiche. Dario Vareni, Co-Präsident der JUSO Zürcher Oberland, sagt dazu: «Beim öffentlichen Verkehr sind die Missstände den meisten bekannt, doch die Probleme gehen weit über den ÖV hinaus. Das Stadtparlament Wetzikon ist als Gebäude zwar barrierefrei, aber es steht stellvertretend für die politische Teilhabe, die immer noch viel zu vielen Menschen mit Behinderungen verwehrt bleibt. Das ist ein Einschnitt in die Menschenrechte.»
Vareni bemängelt spezifisch Gemeindeversammlungen, die in den allermeisten Gemeinden im Zürcher Oberland noch immer das Entscheidungsorgan sind: «Abgesehen davon, dass beispielsweise Redner*innen-Pulte etc. in den meisten Fällen nicht barrierefrei sind, ist es für Menschen mit Behinderungen häufig schon viel schwieriger oder gar unmöglich, an Gemeindeversammlungen teilzunehmen. So sind sie von fast allen Entscheiden, welche die Gemeinde betreffen, ausgeschlossen.» Hinzu kommen weitere Barrieren wie Vorlagen die in komplexer Sprache beschrieben und diskutiert werden oder gar die gänzliche Auschliessung von Menschen mit Behinderungen aus demokratischen Enscheidungen durch deren Bevormundung.
«Es kann nicht sein, dass wir einfach weiter machen, als ob nichts wäre und weiter zusehen, wie gewissen Menschen ihre fundamentalen Rechte verwehrt bleiben», macht Dolder klar. «Darum haben wir diese Orte symbolisch gesperrt, denn sie sollten uns erst dann offen stehen, wenn sie allen offen stehen». Die JUSO richtet ihre Forderungen an die Politik. Sie fordert, dass die Gleichstellung endlich ernsthaft angegangen wird und auch die nötigen Mittel in die Hand genommen werden, um die systematische Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu bekämpfen. In ihrem Visionspapier, auf das sie bei ihrer Aktion mittels QR-Code verwies, stellt die JUSO Zürcher Oberland ein umfangreiches Forderungspaket vor, mit dem ein lebenswertes, solidarisches Zürcher Oberland erreicht werden soll.